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Fakten, Vermutungen und Hintergründe zur Rumpelmännchen-Bewegung
Viele Zeichner versuchten sich während der ersten Jahre des "sozialistischen" Aufbaus in der DDR am Thema "Rumpelmännchen" (im folgenden mit "RM" bezeichnet).
Da stellt sich doch die Frage: Wer hat das RM als erster entdeckt?
Unter Berücksichtigung mehrerer Quellen kann es als sicher angesehen werden, dass Hannes Hegen das RM als solches (also den bärtigen Zwerg aus der Abfallbranche) erfand.
 
Ur-Rumpel-HegenHannes Hegen ließ sich aber die Vaterschaft nicht ordentlich patentieren und gab seine Rechte für lumpige paar hundert Ost-Emmchen an den Arbeiter- und Bauernstaat ab; so konnte das RM auch von anderen Zeichnern adoptiert und verbreitet werden.
Hegens Urrumpel-Version soll an der dekorativen Feder des Hutes eindeutig zu identifizieren sein.

Übereinstimmend in allen Quellen schlug die Geburtsstunde des RM im Jahre 1954.
Namensgebendes Vorbild könnte das Grimm'sche Rumpelstilzchen oder auch nur die Assoziation "Rumpelkammer" oder "Gerümpel" gewesen sein.

Rumpelstilzchen
 
Dig-VorfahreEs geistert sogar die Theorie durch die Lande, dass das RM mit dem Stammvater aller Digedags gleichzusetzen sei. Aus einer Rippe des RM ist angeblich Dig geschnitzt worden, nicht ohne Grund sammelte das RM alte Knochen.

Jedenfalls soll Hegen aus dem Image-Knete-Verlust-Schaden durch die nicht ordentliche RM-Vermarktung klug geworden sein und bei den Digedags verstärkt auf seine Urheberrechte gepocht haben.

Hintergrund der Rumpelmännchen-Kampagnen in der DDR war die ständige Knappheit an Rohstoffen aller Art. Daher sann man nach Wegen, die teuren Importe, wo es möglich war, durch landeseigenen Abfall zu substituieren. Leitfigur dieses staatlichen Gerümpel-Deals wurde das Hegen'sche Rumpelmännchen.
Im Grunde eigentlich keine schlechte Idee, nur dass eben auch das Papier im Laufe der Jahre immer grauer wurde. Als letztes Stadium (wenn es als Datenträger oder Packpapier unbrauchbar geworden war) durchlief der ursprüngliche Baum die Entwicklungsstufe "Toilettenpapier", eine Mischung aus Holzspanplatte und Zementasbest. Wer Glück hatte, konnte auf diesem "Papier" vor der Endnutzung noch allerlei Interessantes entziffern.
Jedenfalls endete damals nicht so viel Müll auf den Deponien. Verpackungen gab es in der Zeit sowieso nur spärlich. Milch holte man mit der Emaille- oder Alu-Kanne, die "sowjetische" Butter wurde vom großen Klotz abgehackt und zum Sauerkrautkauf ging man mit Topf, später mit Plastebeutel (heute als Plastik-Beutel bekannt).
Bald schon übernahm der Staat das strategisch bedeutsame Monopol für Gedöns aller Art gänzlich und gründete landesweit Volkseigene Betriebe (VEB) "Sekundärrohstofferfassung" (liebevoll SERO genannt).
 
Max braucht Eisen!Mit "Max braucht Eisen" erfolgte eine separate Ausrichtung der Schrottsammel-
bewegung. "Max" war ein Hochofen der thüringischen Maxhütte Unterwellenborn. 1949 hatte es noch geheißen "Max braucht Wasser". Max brauchte eben alles mögliche.

Neben "Korbine Früchtchen" war das Rumpelmänneken Vermittler sparsamen Wirtschaftens und sorgsamen Umgangs mit Ressourcen aller Art. "Kohlenklau" und "Wattfraß" riefen ebenfalls zu ordnungsgemäßer Lebensart auf.


Gut erinnere ich mich noch an die eigenen Taschengeld-Aufbesserungsversuche.
Ich war jung ... und ich brauchte das Geld!
Wir brachten unsere Fundstücke immer zum "Altstoffhandel Gubisch", in Fachkreisen kurz "Lumpen-Gub'sch" genannt. Mein Kumpel Bruno wollte einmal besonders galant und höflich sein und sagte beim Eintreten artig "Guten Tag, Frau Lumpen-Gub'sch!" Warum die gute Dame damals so gereizt reagierte, kann ich bis zum heutigen Tag nicht nachvollziehen.
Aber wenn ich daran denke, dass seinerzeit wahrscheinlich auch Mosaik-Hefte durch den Reißwolf gegangen sein müssen, läuft mir noch jetzt ein kalter Schauer über den Rücken.
 
Rumpelmännchen-LotterieAbziehbilder (Vorgänger der gemeinen Sticker) und Lose der Rumpelmännchen-Lotterie gab es manchmal an der Annahmestelle als zusätzliche Belohnung zum ohnehin horrenden Aufkaufpreis (Flasche 5 Pfennig, kg Zeitungen-gebündelt 15 Pfennig, kg Lumpen 5 Pfennig).
Goldenes Rumpelmännchen
Besonders hartgesottene SammlerInnen wurden mit allerlei Orden und Ehrenzeichen aus dem VEB "Ordunez" überhäuft.
Preisausschreiben
Natürlich wurden auch große Preise ausgeschrieben.

Rumpel von Horst Boche gestiftet


Horst Boches Rumpelmännchen auf der Rückseite eines Schulheftes.

Heute hat uns das Abfall-Recycling nach kurzer Hängepartie wieder überholt ohne uns einzuholen.
Grüner Punkt auf Gelber Tonne, Schadstoff-Mobil und Mülltrennung beherrschen unser Leben.
Und endlich feiert das ultimative und lang ersehnte Dosenpfand fröhliche Urständ.
Der große Visionär und Vordenker Karl Valentin hat das vor vielen Jahren schon vorausgesehen und festgestellt:
 
" Die Zukunft
war früher auch besser! "
 
Varianten des Rumpelmännchens
 
1. Das Hegen-Rumpelmännchen
Ur-Rumpel-HegenDer Prototyp des Hegen'schen Rumpelmännchens, erkennbar am gefiederten Hut, er schmückte anfangs Lose, Stempel, Anzeigen und Aufrufe.


2. Rumpelmännchen-Abarten
2.1. Das Boche-Rumpelmännchen

BochemännchenHorst Boche zeichnete das nebenstehende RM, weiterhin "Rumpelmännchens Erlebnisse" und verschiedene Plakate.
2.2. Das Moese-Rumpelmännchen

Moese-MännchenVon Willi Moese stammt dieses Rumpelmännchen aus Frösi 7/1960.

Großbild 1 / Großbild 2

 

Moese-MännchenUmschlag Frösi 9/1962

2.3. Das unbekannte Rumpelmännchen

unbekannter Zeichner Verfasser unbekannt, aus Frösi-Beilage 12/1958,
ähnelt stark der Boche'schen Variante
2.4. Das Atze-Rumpelmännchen

Atze-Rumpelmännchen

aus Atze 6/1957

vom so genannten "Kobold-Kollektiv"
(Koboldfilm-Kollektiv von Ernst Urchin)

Kostprobe aus dem 5-seitigen Comic
Rumpelmännchen-Plakate
(vermutlich alle von Horst Boche)

Rumpelmännchen-Plakat 1 Rumpelmännchen-Plakat 2 Rumpelmännchen-Plakat 3
 
Rumpelmännchen-Hefte
(Horst Boche)

Zum Rumpelmännchen-Thema sind auch umfassendere Druckerzeugnisse erschienen. Bekannt sind mir 2 Hefte (16 Seiten) von 1955 mit dem Titel "Rumpelmännchens Erlebnisse". Herausgeber war das Ministerium für Leichtindustrie VVB Rohstoffreserven, Berlin Karlshorst. Sicher gab es noch weitere. Zeichner war auch hier Horst Boche.
 
Rumpelmännchens Erlebnisse 1Rumpelmännchens Erlebnisse Heft 1.

"Rumpelmännchen erzählt vom Holzfresser"
Rumpelmännchens Erlebnisse 2Rumpelmännchens Erlebnisse Heft 2.

"Von unbekannten Schätzen"
 
3. Rumpelmännchen-Artige
Rumpelbart

 

"Rumpelbart" von Jürgen Kieser hatte seinen Auftritt in Frösi 5/1955



Höchstwahrscheinlich hat es in der DDR auch diverse "IM Rumpelmännchen" gegeben, die im MfS (Ministerium für Sekundärrohstoff-Sicherheit) organisiert waren.
Im persönlichen Müll der stets im Mittelpunkt stehenden Menschen befanden sich schließlich noch jede Menge kost- und auswertbarer konspirativer Informationen.

 
Solche und ähnliche Aufrufe erschienen seinerzeit in vielen Tageszeitungen:

"Freiheit" vom 14.05.1955 "Aus Stadt und Kreis Wittenberg" Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland ( SED )

Unterstützt die Rumpelmännchen - Lotterie!

Gegenwärtig wird im Kreise Wittenberg sowie in allen Kreisen des Bezirks die Rumpelmännchen - Lotterie, durchgeführt. Sie wird am 30. Juni 1955 abgeschlossen.
Bei Abgabe von insgesamt drei Kilo nichtmetallischen Altstoffen wie Alttextilien,
Altpapier und Knochen aus Haushalten erhält die Hausfrau neben der ordnungsgemäßen Bezahlung ein Prämienlos. Gewerblicher Anfall wird nicht prämiiert. Die Auslosung erfolgt Anfang Juli und die Auszahlung der Gewinne ab 15. Juli 1955. Es stehen Gewinne in Höhe von 5 bis 500 DM zur Verfügung. Gleichzeitig wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Gewinnliste auf der Rückseite der verausgabten Lose ungültig ist.

Rat des Kreises Wittenberg Plankommission.
 

Die Rückkehr der Müll-Ritter


Im Mosaik 149 ("Die Rübensteiner Festspiele") erlebte das Rumpelmännchen eine Renaissance auf dem Freistädter Jahrmarkt.
Da Horst Boche damals noch fleißig mitwerkelte, stammt das rote Männchen wahrscheinlich von ihm. Vielleicht eine Hommage ans Altstoffsammeln oder nur ein Test, ob's Hegen auch mitbekommt.
 
Nachtrag:

Rumpelmännchen

"Fast alle Rumpelmännchen"

weitere Rumpelgrafiken
aus "Illustrierte DDR-Rundschau" Nr. 15 vom Verein DDR-Alltagskultur e.V.

 

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