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Das Flugwesen entwickelt sich, Genossen
Bauern !
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"Einiges Interessantes aus dem Gebiet des Flugwesens"
Beilage 39 zum Mosaik
"Ein rätselhafter Fund" |
Der Entwicklung des
konventionellen Flugwesens von Vergangenheit bis Gegenwart widmeten sich die Mosaikhefte 35 bis 39 .

"Aus der Geschichte des Menschenfluges"
aus Mosaik Nr. 35
"Die große Flugschau"
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Wie schwer es die Menschheit bei der
Eroberung der Lüfte hatte, beweist Michail Sostschenkos legendäres satirisches Meisterstück, welches umfassend
mit den ewigen Zweiflern und Gegnern des Flugwesens abrechnet. |
Michail Sostschenko (1895-1958)
Die Kuh im Propeller |
Grigori Kossonossow, der Wächter der Fliegerschule, fuhr auf Urlaub in
sein Heimatdorf.
"Nun, was ist, Genosse Kossonossow," sagten die Kollegen beim
Abschied, "da ihr schon hinfahrt, könnt ihr vielleicht ein bißchen
agitieren dort im Dorf, wie? Sagt den Bäuerlein so und so, das
Flugwesen entwickelt sich bei uns, vielleicht tragen sie etwas Geld
zusammen für ein neues Flugzeug!"
"Da könnt ihr versichert sein," antwortete Kossonossow, "ich werd'
schon tüchtig Propaganda machen, wär was anderes, wenn es nicht ums
Flugwesen ginge, aber darüber, seid unbesorgt, werd ich schon was
Richtiges sagen!"
Kossonossow kam nach Haus und begab sich gleich am Tag seiner Ankunft
zum Dorfsowjet.
"Also," sagte er, "ich will hier ein bißchen agitieren! Kann man nicht
eine Versammlung einberufen?"
"Nun, warum nicht," sagte der Vorsitzende, "agitiert nur, agitiert
nur!"
Am anderen Tag rief der Sowjet die Bauern beim Feuerwehrschuppen
zusammen.
Grigori Kossonossow trat vor sie hin, verbeugte sich und
begann: "Also, so ist das, das Flugwesen, Genossen Bauern! Da ihr ein,
naja, na Gott naja, ungebildetes Volk seid, werde ich euch etwas von
der Politik erzählen. Hier, sagen wir mal, ist Deutschland und dort
vielleicht Frankreich. Hier Rußland und da - naja, überhaupt..."
"Worüber redest du eigentlich, Väterchen?" fragten die Bauern.
"Worüber?" erwiderte Kossonossow empört, "Über das Flugwesen
natürlich! Blüht halt sehr auf, das Flugwesen! Hier ist also Rußland
und hier ist China."
Die Bauern hörten finster zu.
"Halt dich nicht auf!" rief jemand von
hinten. "Red weiter!"
"Ich halte mich ja gar nicht auf", sagte Kossonossow eingeschüchtert.
"Ich rede ja über das Flugwesen. Es entwickelt sich bei uns, Genossen
Bauern, nichts dagegen zu sagen! Was wahr ist, ist wahr!"
"Hm, etwas unverständlich," rief der Vorsitzende. |
"Sie, Genosse, müssen etwas volkstümlicher sprechen, bitte, daß Sie die Masse auch
versteht!"
Kossonossow trat näher an den Haufen der Bauern heran, setzte verlegen
das eine Bein etwas vor und begann von neuem: "Also, Genossen Bauern -
man baut Flugzeuge bei uns. Und nachher - ssst - fliegt man! In der
Luft sozusagen!
Nun, mancher natürlich hält sich oben nicht gut, bums, saust er runter
wie der Flieger Genosse Jermilkin, rauffliegen tat er ganz gut und
dann bums! Krach! Ein nasser Fleck blieb übrig!"
"Ist doch kein Vogel schließlich," sagten weise die Bauern.
"Eben, das sag ich auch!" sagt Kossonossow, erfreut über die
Anteilnahme. "Natürlich kein Vogel! Ein Vogel, wenn der herunterfällt,
nun ja, er schüttelt sich und los weiter.
Anders beim Menschen. War da noch so ein anderer Flieger. Der fiel auf
einen Baum und hing da wie ein Äpfelchen. Hat sich natürlich
erschreckt, der Arme, es war zum kranklachen!
Ja, ja, ja, verschiedenes passiert so! Da ist einmal eine Kuh bei uns
in den Propeller gekommen! Ritsch, ratsch! Und hin war sie ... Auch
Hunde ..."
"Und Pferde?" fragten ängstlich die Bauern. "Auch Pferde, Väterchen?"
"Auch Pferde!" sagte stolz im Brustton der Überzeugung der Redner.
"Das kommt oft vor!"
"Ach, diese Kanaillen, hol sie der Teufel!" sagte jemand. "Was sie
sich jetzt alles ausdenken: Pferde zu Tode quälen - nun Väterchen -
und das entwickelt sich jetzt, ja?"
"Eben, das sag ich ja! Es entwickelt sich, Genossen Bauern! Und darum
meine ich, sammelt vielleicht die ganze Bauernschaft etwas Geld."
"Wofür denn bloß, Väterchen?" fragten neugierig die Bauern.
"Für ein Flugzeug natürlich!" sagte der Redner. Die Bauern lächelten
finster und gingen langsam auseinander.
Geld für ein neues Flugzeug brachte Kossonossow, als er von seinem
Urlaub zurückkam, nicht mit.
Die Bauern seines Heimatdorfes waren eben
noch ein zu ungebildetes Volk. |
Ein weiteres, weniger bekanntes Kleinod und
Ausdruck der russischen Seele ist diese elementare Aufklärungsrede des
Feldschers anläßlich einer Frauentagsfeier. Sie hat zwar wenig Bezug zum Flugwesen, aber wer Sostschenko mag, wird auch an
Bulgakow seine Freude haben. |
Michail Bulgakow (1891-1940)
Frauentag mit Syphilis (1925) |
Am Internationalen Frauentag, welcher alljährlich am achten März
begangen wird, öffnete sich die Tür des Lesehäuschens in dem Dorf
Laka-Tyshma, das sich der wohlgeneigten Patenschaft der Kasaner
Eisenbahn erfreute, und ließ den Sanitätsfeldscher ein (nennen wir ihn
Iwan Iwanowitsch).
Wäre nicht der Umstand, daß sich am achten März kein politisch bewußter
Bürger in betrunkenem Zustand zeigen kann, noch dazu bei einem
Vortrag, noch dazu in einem Lesehäuschen, und wäre nicht der Umstand,
daß der Feldscher Iwan Iwanowitsch wohlbekanntermaßen keinen
Tropfen Alkohol in den Mund nahm, so hätte man wetten mögen, dass er
sternhagelblau war.
Seine Augen sahen aus wie zwei Siegellack-pfropfen
auf Flaschen mit vierzigprozentigem russischen Wodka und seine
Temperatur betrug höchstens 30 Grad. In dem Häuschen verbreitete sich
eine derartige Schnapsfahne, dass der Versammlungsleiter das Rauchen
einstellte und Iwan Iwanowitsch mit folgenden Ausdrücken das Wort
erteilte: "Das Wort zu seinem Vortrag über den Internationalen
Frauentag hat Iwan Iwanowitsch."
Iwan Iwanowitsch, von alkoholischer Würde beflügelt, schaffte den
Sprung auf die Bühne beim dritten Anlauf und trug folgendes vor:
"Bevor ich vom Internationale Tag spreche, will ich ein paar Worte
über die Geschlechts-krankheiten sagen!"
Diese Einleitung hatte vollen Erfolg. Grabesstille trat ein und eine
Glühbirne erlosch. "Tja ..., meine lieben internationalen Frauen",
fuhr der Feldscher heftig schnaufend fort, "da sehe ich eure Gesichter
vor mir, so an die achtzig Stück ..."
"Vierzig", sagte der Leiter
verwundert mit einem Blick auf die Anwesenheitsliste.
"Vierzig? Um so
schlimmer, das heißt, besser", fuhr der Redner fort, "ihr tut mir
leid, meine lieben Mädchen und Damen ... Pardon! Frauen ... Denn je
weniger Bevölkerung es auf einem bestimmten Gebiet gibt, desto weniger
Geschlechtskrankheiten treten auf und umgekehrt. Besonders die
Syphilis ... Diese entsetzliche Geißel des Proletariats, die keinen
verschont ... Wißt ihr denn, was das ist?"
"Iwan Iwanowitsch!" rief
der Leiter.
"Sei mal still. Unterbrich mich nicht. Die Syphilis",
sagte der Redner hickend und langgedehnt, "die ist ein Ding, das man
sich ganz leicht einfangen kann! Ihr sitzt hier und denkt vielleicht,
ihr seid davor sicher?"
Der Feldscher lachte böse. "Pustekuchen. Da läuft zum Beispiel so ein
junges Mädchen mit roter Armbinde rum, freut sich über den achten März
und alles, und dann heiratet sie, und eines schönen Tages wäscht sie
sich ... schnaubt sich die Nase, und zack! Liegt die Nase in der
Waschschüssel, und statt der Nase, |
entschuldigt den Ausdruck, hat sie ein Loch! "Stimmengewirr ging durch die Reihen und eine Arbeiterin, ganz blaß,
eilte zur Tür.
"Iwan Iwanowitsch!" rief der Leiter. "Verzeihung, ich
bin beauftragt, also rede ich. Ihr meint wohl, wenn ihr noch
unschuldig seid, das könnte euch retten? Ohoho! Und sind unter euch
überhaupt Unschul ..."
"Iwan Iwanowitsch!" rief der Leiter. Weitere
zwei Arbeiterinnen gingen und blickten entsetzt zurück zur Bühne.
"Ihr
kommt zum Beispiel hierher, wollen wir sagen, der Kessel mit dem
abgekochten Wasser ... Na klar, es ist heiß" fuhr der Redner fort und
lockerte den aufgeweichten Kragen, "na ja, da nimmt man den Becher.
Über euch hängen Plakate von der Komintern >Trinkt kein unabgekochtes
Wasser< und so, und vor euch hat ein Syphilitiker getrunken mit seinem
Mund, sagen wir mal, unser Versammlungsleiter ..."
Der Leiter heulte
auf. Zwanzig Arbeiterinnen wischten sich mit ihren Tüchern angewidert
den Mund, und wer keins hatte, nahm den Rocksaum. "Was heulst du?"
fragte der Feldscher den Leiter.
"Ich habe nie Syphilis gehabt",
schrie der und nahm die Farbe von Preiselbeeren an.
"Komiker ... das
war doch bloß ein Beispiel. Sagen wir mal, Sie!" Der Feldscher zeigte
mit zitterndem Finger in die erste Reihe, die sich röckeraschelnd
leerte.
"Wenn eine Frau am achten März, entschuldigt den Ausdruck, die
Geschlechtsreife erlangt", zwitscherte am Pult der Redner, der sich
immer mehr auflöste, "was denkt sie sich dann" "Schweinekerl!" sagte
eine dünne Stimme in den hinteren Reihen.
"Das einzige, wovon sie in
den Mondnächten träumt, ist, wie sie am schnellsten zu ihrem
Sexualpartner kommt", meldete der Feldscher und fuhr mit den Händen
die Hosennähte entlang. Da erfüllte Stöhnen und Zähneknirschen das
Lesehäuschen. Die Bänke leerten sich polternd. Sämtliche Arbeiterinnen
gingen hinaus, viele schluchzten. Zwei blieben, der Versammlungsleiter
und der Feldscher.
"Ihr Sexualpartner aber", murmelte der Feldscher
schwankend und blickte den Leiter an, "meine liebe Arbeiterin, der
ergibt sich der Liebe und sonstigen Lastern ..."
"Ich bin keine
Arbeiterin!" schrie der Leiter. "Entschuldigung, sind Sie ein Mann?"
fragte der Feldscher und glotzte durch einen Schleier.
"Ja!" rief der
Leiter beleidigt.
"Sieht nicht so aus", hickte der Feldscher.
"Iwan
Iwanowitsch, Sie sind blau wie ein Veilchen!", rief der Leiter, der
vor Unmut zitterte, "Sie haben mir den Frauentag verdorben! Ich werde
mich über Sie beim Zentrum und noch weiter oben beschweren."
"Mach
das", sagte der Feldscher, setzte sich in einen Sessel und schlief
ein. |
Das Copyright der Texte liegt natürlich bei den Autoren und deren
Rechtsnachfolgern.
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