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80 Berliner Geschichten Juli 1963


Die Digedags betreiben 1837 ein  "Dienstleistungszentrum" aka "Komplex-Brigade" in Berlin, jleich an die Jungferbrücke.

Leider sieht es heute an dieser Stelle absolut unromantisch aus, auch der Kupfergraben hat keinen Schiffsverkehr mehr, außerdem heißt er jetzt Schleusengraben.

Das Auftragsbuch der Digedags ist bis unters Dach gefüllt, die beiden sind bei ihren Kunden und Nachbarn gleichermaßen beliebt, was braucht man mehr?
Der erste Auftrag des heutigen Tages besteht in einer Lieferung runderneuerter Helme an die Wachkompanie. Während Dig und Dag beim Guckkastenmann völlig ohne GEZ-Spende einen Blick auf die "kriejerischen Türken" werfen können, bekommt Dig von Gottliebs fescher Tochter Emma eine Art Liebesbrief für ihren Macker August Pickel zugeschoben.
Beim Abliefern der Hüte an die Wachkompanie werden Dig und Dag Zeugen der völlig unsachgemäßen Helmbenutzung. Der Oberwächter Feldwebel Kulicke hat das Knautschen der Kopfbedeckung als pädagogische Leitlinie für seine Truppe auserkoren. Jede noch so unbedeutende Verfehlung der Kompaniegenossen verschafft August Pickel neue Arbeit. Leider vermasseln die Digedags dem Sattler die Lebensstellung, indem sie den Kreislauf der Helme vermutlich zum Erliegen bringen. Um nämlich den fiesen Feldwebel zu maßregeln, präparieren sie ein Testmodell mit einer Schusterahle. Diese Maßregelung vermiest dem armen Feldwebel die weitere Ausübung seines Dienstes.
August Pickel ist ob des Briefes seiner Ische zutiefst niedergeschlagen. Die Digedags versuchen, ihn mit ihrem Prototyp einer knitterfreien Kopfbedeckung wieder etwas aufzumuntern. Hilft aber nicht, denn Emma macht Ernst. Wenn August sie nicht zum Hofball geleitet, ist Schluss mit Liebe und so. Selbstredend versuchen die Digedags dem hoffnungsvollen Paar zu helfen. Fällt schließlich unter "Dienste aller Art". Zufällig werden sie vor ihrem Geschäft Zeugen eines Missgeschicks. Ein Lampenputzer stößt mit seiner Leiter ein Paket in die Spree. Im nächsten Moment liegt der Karton, von Dig und Dag geborgen, wieder auf dem Lande. Der Inhalt ist, wen wundert's - ein Ballkleid, nun allerdings leicht reparatur-bedürftig. Und schon haben die Digedags ihren nächsten Auftrag. Die Restaurierung des Kleidungs-stücks und persönliche Lieferung an die Frau Geheime Oberkammerjägermeistersgattin Piefken.
Da die zwei des korrekten Bügelns doch nicht so mächtig sind, lassen sie sich von Emma unter die Arme greifen. Dummerweise versprechen sie Emma als Gegenleistung schon mal die Zwischennutzung des Kleides. Viel Zeit zum Grübeln bleibt nicht, jetzt wartet erst einmal der nächste Auftrag: den türkischen Gesandten zufrieden zu stellen. Bevor sie damit loslegen können, kommt der Postbote. Die erste Nachricht versetzt den Türken in Verzückung - eine Einladung zum Hofball. Der nächste Brief ist seine sofortige Einberufung nach Konstantinopel. Das lässt ihn die Contenance verlieren. Allerdings ist das noch steigerungsfähig als ihn die Digedags um die für ihn nun nutzlosen Karten bitten.
Ihr erster unzufriedener Kunde - Rauswurf. Doch die Digedags haben weitreichende Verbindungen. Mit Hilfe von Schornsteinfegermeister Schwarz lässt sich Dig in die Dschehenna abseilen und greift sich die Karten.
Das sind ja mal gute Nachrichten für August, ein Ballkleid nebst zugehöriger Billets. Der Meister der Ahle war auch nicht müßig und hat derweil aus dem Modell der Digedags einen militärtauglichen Schutzhelm gezimmert. Der passt auch ausgezeichnet zu seiner Schützengilde-Uniform.
Frau Piefken hat endlich vom Verbleib ihres Ballkleides erfahren und sie ermahnt die Digedags eindringlich, ihr das Gewand ja pünktlich zu übergeben.

Dann ist der große Tag gekommen. Der Zug nach Potsdam steht bereit, die Piefken hat natürlich in der ersten Klasse gebucht. August und Emma haben auch Plätze erhascht. Nur die Digedags müssen dienstbotenmäßig auf dem Dach reisen. Das kommt allerdings ihrem Plan entgegen. Schon im Eisenbahnabteil bewährt sich Augusts Kopfbedeckung, er rettet Emmas Frisur. Zwischen Steglitz und Lichterfelde hängt Dig den Waggon mit der Kammerjägerin ab. Während die Entrüstete mit Ochsenkarren und später in General Wrangels Kampfwagen gen Potsdam rumpelt, sind die Digedags mit Emma und August schon längst auf dem Hofball. Augusts Helm erweckt natürlich Majestäts Bewunderung. Ehrlicherweise outet er sich als schlichter Sattlermeister. Der Holzhammertest bestätigt die Güte der Kopfbedeckung.
Dann taucht die Piefken auf und kreischt die Digedags aus der Deckung. Der Thronhimmel stürzt - und August rettet die königliche Familie vor der Stauchung. Als Hilfspfosten fängt er mit seiner Helmspitze die Last des Himmels ab und erweist sich als Bewahrer des Preußentums. Das gibt einen Orden und ein Patent auf seine Erfindung. Als Pickelhaube soll sie dem preußischen Heer Deckung von oben verschaffen.
 

Am Rande bemerkt:
Friedrich Wilhelm der IV. führte die Pickelhaube 1842 für einige Sparten des Heeres ein.
Auch im Ausland erfreute sich diese Kopfbedeckung sowie diverse Derivate davon großer Beliebtheit. Noch heute werden ähnliche Helme in Schweden und Chile bei Paraden präsentiert. Heine befürchtete allerdings in seinem "Wintermärchen" eine Affinität des Objekts für Blitzeinschläge.

Die Jungfernbrücke ist die älteste noch vorhandene Brücke von Berlin und auch die einzige Klappbrücke. Heute steht sie ziemlich verloren inmitten moderner Zweckbauten.

 

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