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Kinderzeitschriften
 
Kurz nach dem militärischen Ende des 2. Weltkrieges wurden in der "Sowjetischen Besatzungszone" die beiden Kinder-Zeitschriften "ABC-Zeitung" und "Die Schulpost" ins Leben gerufen.
Beide Publikationen erschienen erstmalig im Jahr 1946. Noch vor der Gründung der DDR kam im Juni 1949 "Der Junge Pionier" hinzu, es folgten 1953 "Fröhlich sein und singen", 1955 "Atze" und "Mosaik" und 1957 "Bummi".
1958 wurde "Die Schulpost" durch "Rakete" ersetzt und der "Der Junge Pionier" nannte sich fortan "Die Trommel".

"Atze", "Fröhlich sein und singen" und ganz besonders das "Mosaik" sollten als Gegenpol zu den westlichen Comics aufgestellt werden. Damit einhergehend wurde die sogenannte "Schund- und Schmutzliteratur" des west-deutschen Klassengegners verstärkt bekämpft.

Im Jahr 1958 war es der DDR-Staatsführung endlich gelungen, ein komplexes System von Zeitschriften für Kinder und Jugendliche zu etablieren, welches, gesteuert vom "Zentralrat der FDJ", für die lückenlose politisch-ideologische Beeinflussung der Leser außerhalb der Schule verantwortlich zeichnen sollte. Ziel war unter anderem die Erziehung zu "revolutionärem Kämpfertum und hohem sozialistischen Bewußtsein".
Vom Kindergartenalter bis zum Verlassen der Schule gingen die einzelnen Publikationen nahtlos ineinander über. Am Schluß der Kette "Bummi" -> "ABC-Zeitung" -> "Die Trommel" mußte dann wohl die Tageszeitung der FDJ, die "Junge Welt", die weitere ideologische Bildung übernehmen.
Im Unterschied zu den anderen Publikationen sollten die "ABC-Zeitung" und noch stärker "Die Trommel", auch durch ihre häufigere und somit inhaltlich aktuellere Erscheinungsweise, der politischen Erziehung ihrer potentiellen Leserschaft dienen.
"ABC-Zeitung" und "Die Trommel" mußten zudem oft über die Schule direkt bezogen werden und fanden dann auch speziell im Unterricht Verwendung.
Unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Formung der Kinder, erfährt die Bezeichnung "Kinder- oder PionierPRESSE" ihre ureigene Bedeutung - nomen est omen.

Einhergehend mit und sogar trotz der von der SED bzw. der FDJ erwünschten politischen Indoktrination wurden durch viele Gestalter der meisten Zeitschriften aber auch bemerkenswerte künstlerische Leistungen erbracht.
Einige Redakteure ließen den Ausführenden teilweise freie Hand bei der Auswahl der Themen, wodurch auch vieles entstand, was relativ frei von Ideologie war und lediglich moralischen und ethischen Gesichtspunkten folgte. Was war schließlich schlecht daran, sich gegenseitig zu achten oder einfach nur hilfsbereit zu sein.
Auch der reine Spaß und Unterhaltung kamen bei diesen Geschichten nicht zu kurz.

Weshalb sich viele der alten Sachen gern erinnern, liegt nicht etwa daran, daß sie damals alles super fanden (die hat es mit "Sicherheit" auch gegeben), wie es gern als Ostalgie oder Schlimmeres unterstellt wird. Auch früher wurde alles sehr differenziert betrachtet und vom aufgeschlossenen Leser stark gefiltert und bewertet.
Vielmehr sind diese Zeitschriften Begleiter einer bestimmten Lebensphase - einhergehend mit zugehörigen Gefühlen und Empfindungen einer zum größten Teil unbeschwerten Kindheit.

Heutzutage sind sie Transportmittel für eine Zeitreise in eine vergangene Epoche. Viele Hefte aus den 50er und 60er Jahren sind mir diese interessante Rückschau durchaus wert.

 
Übersicht der Kinderzeitschriften

 
Publikation Zeitraum Zielgruppe Verlage Technische Daten
ABC-Zeitung 5/1955

"ABC-Zeitung"
1946-1990 6 - 9 1946
Volk und Wissen

1950
Junge Welt
monatlich

Auflage 1946: 300.000
Auflage 1981: 880.000
Auflage 1989: 950.000

bis 1949 Kinderzeitschrift
ab 1950 Pionierzeitschrift

16-32 Seiten

versch. Formate: 206x296, 204x288, 235x335 mm

Besonderheit: zeitweise mit Bastelbogen
Schulpost 1/1955

"Die Schulpost"
1946-1957 10 - 14 1946
Volk und Wissen

1951
Junge Welt
monatlich

Auflage 1957: 300.000

12-48 Seiten

versch. Formate:
206x296, 204x288 mm


"Unsere Zeitung"
1948 6 - 12 Neues Leben monatlich

zeitungsartig

nur 8 Ausgaben, Mai bis Dezember


"Der Junge Pionier"
1949-1957 6 - 12 1949 Neues Leben

1951 Junge Welt
wöchentlich

zeitungsartig

Auflage: 100.000

hervorgegangen aus
"Unsere Zeitung"
 
Fröhlich sein und singen 6/1955

"Fröhlich sein und singen"
1953-1991 9 - 12 Junge Welt monatlich

Auflage 1954: 100.000
Auflage 1956: 600.000
Auflage 1989: 650.000

24-40 Seiten
Versch. Formate:
210x290, 295x200, 240x280 mm

ab 1965 schlicht "Frösi"

siehe auch
 
Atze 4/1955

"Atze"
1955-1991 9 - 12 Junge Welt monatlich

Auflage 1974: 465.000
Auflage 1988: 562.000

8-24 Seiten

versch. Formate:
170x240, 160x222, 200x190, 145x210, 165x237 mm

siehe auch
Mosaik Nr. 79

"Mosaik"
1955

bis

[heute]
0 - 199 1955 Neues Leben

1960 Junge Welt

[1992 Mosaik "Steinchen für Steinchen"]
 
monatlich

Auflage 1955: 150.000
Auflage 1957: 250.000
Auflage 1974: 660.000
Auflage 1988: 1.006.300

Format: 162x240 mm
32/24 Seiten
1976: 20 Seiten
[heute: 36 Seiten (Comic)]

auch als Sammelbände ab Nummer 1 in verschiedenen Ausführungen noch heute erhältlich

siehe auch
Unser Robinson 2/1959

"Unser Robinson-
Kleines Blatt für Bücherfreunde"
1956-1960   Kinderbuchverlag monatlich
2/1956-9/1960


Format: 141x203 mm
16 Seiten
Bummi 7/1957

"Bummi"
 
1957
bis
[heute]
3 - 7 Junge Welt

[Pabel-Moewig]
monatlich 2x
[heute monatlich]

Auflage 1988: 760.000

12 Seiten
zeitweise als Leporello

versch. Formate: 170x240, 160x220,190x200 mm

Besonderheit: oftmals mit Bastelbogen

auch als Sammelbände
Rakete 9/1960

"Rakete"
1958-1962 13 - 16 Junge Welt monatlich

50 Seiten

Format: 180x260 mm

hervorgegangen aus "Schulpost"
 
Die Trommel 18/1977

"Die Trommel"
1958-1990 9 - 12 Junge Welt wöchentlich

8-16 Seiten

Auflage 1988: 990.000

zeitungsartig

hervorgegangen aus
"Der Junge Pionier"
Technikus 12/1964

"Technikus"
1963-1990 12 - 16 Junge Welt monatlich

48 Seiten

Format: 170x240 mm

hervorgegangen aus "Rakete"
 

 
Das "Mosaik" als Exotikum
 

 

Das "Mosaik" war, obwohl vom FDJ-Verlag "Junge Welt" herausgegeben, im Vergleich zu den anderen Zeitschriften ohnehin etwas "abartig".
Es sprach Kinder und Jugendliche abseits ideologischen Schubkastendenkens an und hatte es deshalb schwer, sich im Vergleich mit den staatstragenden Zeitschriften vor den Funktionären zu behaupten.
Einzig innerhalb der "Neos-Serie" und der zeitweiligen Beilagen wurden teilweise Gut und Böse im politischen Sinn deklariert.

Daher taugte das "Mosaik" nicht so recht als Erziehungsinstrument und stand mehrfach vor dem Aus. Jedoch nie bei seinen Lesern.

Chefredakteure der Flaggschiffe
 
Fröhlich sein
und singen
1953 - 1967
1967 - 1974
1975 - 1991
Dieter Wilkendorf
Heimtraud Eichhorn
Wilfried Weidner
 
Atze 1/1955 - 4/1959
5/1959 - 3/1961
4/1961 - 12/1966
1/1967 - 3/1991
Klaus Hilbig
Dieter Wilkendorf
Hans Erhardt
Wolfgang Altenburger
  
Mosaik 1957 - 4/1958
5/1958 - 12/1959
6/1961 - 1/1964
2/1964 - 1985
Walter Püschel
Ernst Dornhof
Hans Erhardt
Wolfgang Altenburger


 
Kinderzeitschriften im politischen Umfeld

 
Verlags-Politik / Zeitschriften Jahr SBZ-/DDR-Politik
 
 
[Juli] Gründung von "ABC-Zeitung" und
"Die Schulpost"

im Verlag "Volk und Wissen"



 
Gründung "Unsere Zeitung" im Verlag "Neues Leben"



 
Gründung "Der junge Pionier" im Verlag "Neues Leben"
 
1945

1946







1948






1949

 

Gründung des Verlages "Volk und Wissen"
Gründung der "Freien Deutschen Jugend"

"Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule"

[Juni] Gründung des Verlages "Neues Leben" durch Zentralrat der FDJ
[Dezember] Gründung der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" unter Regie des Zentralrats der FDJ

Gründung des "Postzeitungsvertriebs"
zum Vertrieb aller Presseerzeugnisse
[Juni] Gründung des "Kinderbuchverlages"

[Oktober] Gründung der "DDR"
Überführung der "ABC-Zeitung" in den Verlag "Junge Welt"
Überführung von "Die Schulpost" in den Verlag "Junge Welt"
 
Gründung "Fröhlich sein und singen" im Verlag "Junge Welt"
Chefredakteur: Dieter Wilkendorf
Gründung "Atze" im Verlag "Junge Welt"
Chefredakteur: Klaus Hilbig

Gründung "Mosaik" im Verlag "Junge Welt"
Gründung "Bummi" im Verlag "Junge Welt"

Chefredakteur "Mosaik": Walter Püschel

"Die Schulpost" wird Ende 1957 eingestellt und erscheint ab 1958 neu als "Rakete"
[Mai] Chefredakteur "Mosaik": Ernst Dornhof - Beendigung der "Römer-Serie" im [Dezember] - "zeitgemäße" "Neos-Serie" beginnt - Start der Beilagen "Klaus und Hein erzählen aus dem Pionierleben"
Chefredakteur "Atze": Dieter Wilkendorf

Dezember: "Letzte Ausgabe" Mosaik Nr.37
Dornhof geht, "Mosaik" ohne Chefredakteur
1950


1951



1953



1955




1957






1958





1959


 

Ausbruch des "Kalten Krieges" u. a. mit Anti-Comic-Kampagnen
Verlag "Junge Welt" wird als Zeitschriftenverlag aus dem Verlag "Neues Leben" ausgegliedert
1953-1956 "Tauwetter-Phase" nach dem 17. Juni mit Gründung von "Wochenpost", "Das Magazin" und "Eulenspiegel"
[September] "Verordnung zum Schutze der Jugend", Verschärfung der Strafgesetze bzgl. Comic-Besitz und -Verbreitung
 
Kulturkonferenz des ZK der SED
"Die FDJ muß in der Jugend den Haß gegen den aggressiven westdeutschen Imperialismus und Militarismus, die die größte Kriegsgefahr in Europa sind, entfachen."
Verschärfung der Anti-Comic-Kampagnen



 



 
"Mosaik" wechselt vom Verlag "Neues Leben" zum Verlag "Junge Welt"

[Februar] Start der Mosaik-Beilage "Steinchen an Steinchen"
Chefredakteur "Atze": Hans Erhardt

[Juni] Chefredakteur "Mosaik": Hans Erhardt, Herausgeber wird PO "Ernst Thälmann"
Abschaffung der Beilagen des "Mosaik"
Chefredakteur "Mosaik": Wolfgang Altenburger

aus "Rakete" wird "Technikus"








 
Chefredakteur "Frösi": Heimtraud Eichhorn

Chefredakteur "Atze": Wolfgang Altenburger [bis 1991]
1960





1961





1962

1963




1965




1966




1967


 
[September] nach Piecks Tod Machtübernahme durch Ulbricht

[Okt./Nov.] Kampagne der "Deutschen Lehrerzeitung" gegen "Mosaik" und Hegen
[August] Mauerbau
1961-1964 "Tauwetter-Phase"


 





 
[Dezember] 11. Tagung des ZK der SED - schärferer Kurs Ulbrichts in der Kulturpolitik: "... mit der Monotonie des Yeah-Yeah-Yeah sollte man Schluß machen."
[Januar] Kulturminister abgelöst

ZK-Beschlüsse zur Verschärfung von Agitation und Propaganda



 


 
Ende des "Digedags-Mosaiks"
Hannes Hegen zieht sich zurück

Chefredakteur "Frösi": Wilfried Weidner
Beginn des "Abrafaxe-Mosaiks"
 
1971



1975




1976
 

Wechsel Ulbricht - Honecker

1971 bis 1975 "Tauwetter-Phase"





"Ausbürgerung" von Biermann
 



 
1985


1988

1985-1987 "Tauwetter-Phase" vor der großen Schmelze

[November] Verbot des "Sputnik"
"ABC-Zeitung", "Die Trommel" und "Technikus" stellen ihr Erscheinen ein
[März] letztes "Atze"
[März] letztes "Frösi"

unbeschadet: "Mosaik" und "Bummi"
1990


1991


 


 



 

 
Die Korrelation zwischen der Politik der Partei- und Staatsführung der DDR und der Gestaltung der Kinderzeitschriften führt nicht zwangsläufig zu eindeutigen Ergebnissen.
Eine objektive Bewertung der Zusammenhänge scheint schlechterdings unmöglich, da in diesem 3-Schichten-Modell (Staatsführung - Redakteure - Ausführende) zumindest in den beiden unteren Fraktionen auch den subjektiven Komponenten Ausdruck verliehen wurde.
Oft waren es auch die jeweiligen Chefredakteure einzelner Publikationen, die, mit oder seltener auch entgegen der gerade erwünschten Richtung, ihre eigenen Ambitionen zu verwirklichten suchten.
So kann es durchaus vorkommen, daß in Zeiten rigider Vorgaben ziemlich moderate Sachen entstanden - wie auch umgekehrt. Alles eine Frage des "Klassenstandpunkts" und der "Leitungs-Qualitäten" der Redakteure und des Einfallsreichtums der Macher.

Kurz nach dem Krieg - mit seinen schrecklichen Auswirkungen und Eindrücken - war vor allem das Streben nach Verbesserung der Lebensbedingungen an der Tagesordnung. Den Kindern sollte wieder eine Zukunft gegeben werden und dies erforderte auch eine humanistische Bildung.
Die politische Vereinnahmung fand im Wesentlichen erst zum Ende der 40er Jahre Eingang in die ersten Zeitschriften, als die "Kinder" zu "Pionieren"  gemacht werden sollten.
Die ideologische Komponente in den meisten Publikationen schwankte in den folgenden Jahren mehr oder weniger stark.
Besonders nach vermeintlich überstandenen Krisen (1953, 1961) bzw. nach den äußerst seltenen Machtwechseln im Staatsapparat (Pieck-Ulbricht und Ulbricht-Honecker), die leider immer nur kosmetische Veränderungen brachten, wurden die Maßgaben etwas gelockert - nach der Peitsche gab es wieder ein wenig Zuckerbrot. Meist waren diese Spannen sehr kurz und die bewährte Ideologie rutschte schnell in ihre tief ausgefahrenen Spuren zurück.

Die "wilden Jahre" von den Anfängen liefen zum Wechsel zwischen den 60er- und 70er-Jahren langsam aus. Die Machtverhältnisse in der DDR waren hinreichend stabil und in den etablierten Kinderzeitschriften wurden keine allzu großen Experimente gewagt.
Ab Mitte der 80er hatten es Comics etwas leichter, und um die sogenannte "Wende" raschelten wieder ein paar laue Lüftchen durch den Blätterwald. Und dann wurde gründlich abgeholzt. Überlebt haben lediglich zwei Zeitschriften: "Mosaik" und "Bummi". Sie hatten es verdient.
Eine "Exhumierung" von "Frösi" scheiterte 2005 schon nach sechs Heften wieder.


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